Sonderschau der Fraunhofer-Allianz Bau auf der BAU 2019
Lebensräume der Zukunft: digital – nachhaltig – smart
Digitalisierung, Klimawandel, Ressourcenverknappung und Wohnraummangel – diese Trends verlangen von Gesellschaft, Wirtschaft und Forschung gleichermaßen eine Transformation der Gepflogenheiten. Auch die Bauindustrie ist gefordert, innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln, um den stetig wachsenden Ansprüchen an Gebäuden gerecht zu werden. Dabei wird es zunehmend wichtiger, branchenübergreifend zu denken und vernetzt zu agieren. Die Mitgliedsinstitute der Fraunhofer-Allianz Bau forschen kontinuierlich an interdisziplinären Lösungen und Systemen, um die »Lebensräume der Zukunft « aktiv mitzugestalten. Mit ihrer Sonderschau auf der BAU 2019, Halle C2, Stand 528 zeigt die Fraunhofer-Allianz innovative Produkte und Systemlösungen aus ihrer Bauforschung.
Innovation Cube
Herzstück der Sonderschau ist der begehbare »Innovation Cube« im Zentrum der etwa 300 Quadratmeter umfassenden Ausstellungsfläche. An dem zweigeschossigen Kubus werden innovative und nachhaltige Dämmstoffe, PV Streifenkollektoren, fassadenintegrierte Beleuchtung und resiliente Fassadenelemente mit Sprengwirkungshemmung anschaulich präsentiert. Außergewöhnliche Materialien wie zum Beispiel veganes Leder für Architekturanwendungen oder Akustikputz werden an den Fassaden des Kubus ebenso demonstriert, wie der Einsatz von PCM (Phasenwechselmaterialien) als Energiespeicher oder ein Luftkollektor und Deckenpanele für eine intelligente Gebäudeklimatisierung. Ein Wandtrocknungssystem sowie eine Methode zur virtuellen Bemusterung ergänzen das vielseitige Gemeinschaftsexponat. Bei der Augmented-Reality-Anwendung zur virtuellen Bemusterung von Räumen werden QR-Codes über eine App auf einem Tablet erfasst und die damit verknüpften virtuellen Bauprodukte an der Innenseite des Cubes dreidimensional eingeblendet. Mit dieser Technologie haben Architekten, Planer oder Hersteller die Möglichkeit, verschiedene System- oder Produktlösungen an virtuellen Modellen zu erproben und dadurch fundierte Entscheidungen bereits in einer frühen Planungsphase zu treffen.
Den »Innovation Cube« umgeben vier Themeninseln, die im Folgenden anhand ausgewählter Exponate exemplarisch vorgestellt werden.
Digitalisierung: Physisches Bauen und digitaler Zwilling
»Während in anderen Ländern bereits große Anstrengungen unternommen werden, um die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Steigerung von Produktivität, Kosteneffizienz sowie Fehlerreduktion auszuschöpfen, steckt die Digitalisierung der deutschen Immobilienwelt noch in den Kinderschuhen«, resümiert Thomas Kirmayr, Geschäftsführer der Fraunhofer-Allianz Bau. Trotz einer guten Marktlage verharre man in Deutschland vielfach in alten Mustern und laufe dabei Gefahr international abgehängt zu werden. Etliche Mitgliedsinstitute der Fraunhofer-Allianz Bau forschen nicht zuletzt deshalb intensiv an den umfangreichen Möglichkeiten des Building Information Modeling (BIM). Einen der Forschungsschwerpunkte stellt der »digitale Zwilling«, also die digitale Repräsentation eines real existierenden Gebäudes, dar. Solche Bauwerkinformationsmodelle können Objekte nicht nur in ihrer räumlichen Lage und Ausdehnung, sondern auch in ihren technischen, physikalischen und funktionalen Eigenschaften beschreiben und mit Simulationswerkzeugen sowie Vorhersagemodellen verknüpfen. Damit unterstützt der digitale Zwilling auch das virtuelle Planen und Bauen im Bestand – zum Beispiel beim Modernisieren und Sanieren von Wohngebäuden. Er ermöglicht eine schnelle Simulation von Nutzungsänderungen und kann die Auswirkung einzelner Maßnahmen, beispielsweise auf Energiebedarf, Nutzerkomfort und Umwelt vorwegnehmen. Die Auswertung der Daten durch Algorithmen ermöglicht eine vorausschauende Wartung, indem der Bedarf von Bestandshaltungsmaßnahmen automatisch angezeigt wird.
Analog zur Modellierung der TGA können auch komplexe Fabrikprozesse simuliert werden, um Fabrikationsstätten zu planen. Der »BIMFab-Demonstrator« unterstützt die Prüfung unterschiedlicher Fabrikplanungsvarianten anhand von IFC-Modellen. An einem Fabrikmodell wird das auf der Sonderschau demonstriert.
Im Verbundprojekt »Future Construction (FUCON 4.0)« werden, gemeinsam mit Industriepartnern, durchgängige digitale Prozessketten zum industriellen Bauen erforscht und erprobt. Dabei gilt es, die Wertschöpfungskette Bau genau unter die Lupe zu nehmen, Innovationspotenziale aufzudecken und Schnittstellen zu optimieren. Anhand realer Bauvorhaben sollen die Forschungsergebnisse dann prototypisch umgesetzt werden. Erste Ergebnisse dazu sind auf der Messe am Stand der Fraunhofer-Allianz Bau zu sehen.
Neue Nachhaltigkeit: Materialien, Recycling und Energieeffizienz
Ein effektiver Klimaschutz erfordert nicht nur energieeffiziente, emissionsarme Lösungen für die Gebäudenutzung, sondern auch ressourcenschonende Bauweisen sowie die Verwendung nachhaltiger Baustoffe.
So ersetzen die Forscher der Fraunhofer-Allianz Bau beispielsweise die Carbon- und Glasfasergewebe in Textilbeton durch umweltfreundliche Naturfasern. Damit kann die CO2-Bilanz des Betons bei gleicher Performance verbessert und die Herstellungskosten können reduziert werden. Der Prototyp einer naturfaserverstärkten Betonbrücke wird auf der Sonderschau zu sehen sein.
Eine weitere, immer wichtiger werdende Möglichkeit zur Einsparung endlicher Ressourcen stellt das Recycling von Baustoffen dar. Jährlich werden weltweit rund 600 Millionen Tonnen mineralische Baurohstoffe eingesetzt. Der Großteil davon wird über Primärrohstoffe abgedeckt, während lediglich fünf Prozent des Bauschutts für Bauanwendungen recycelt und in die Bauwirtschaft zurückgeführt werden. Das Fraunhofer-Verbundprojekt »BauCycle« hat es sich zum Ziel gesetzt, die Sortierung und Aufbereitung von anfallenden Abbruchmaterialien und ihre Rückführung in den Baukreislauf in einem effektiven Verfahren zu etablieren. Dadurch soll ein nachhaltigeres Bauen ermöglicht und der Verknappung von Deponierraum entgegengewirkt werden. Das neu entwickelte optische Sortierverfahren für Feinfraktionen (< 2mm), sowie Baustoffe aus den Rezyklaten werden im Rahmen der Sonderschau der Öffentlichkeit vorgestellt.
Smart Living: Nutzergerechtes Wohnen
Ziel smarter Gebäude sollte es sein, den Bewohnern einen angenehmen, sicheren und gesunden Lebensraum zu bieten – das ist umso wichtiger, als der moderne Mensch bis zu 90 Prozent seiner Lebenszeit in umschlossenen Räumen verbringt.
Smart Living steht daher vor allem für technische Verfahren und Systeme, die nutzerorientiert die Wohn-, Arbeits- und Lebensqualität in Räumen sowie das Energiemanagement und die Energieeffizienz des Gebäudes verbessern. Dies geschieht beispielsweise mit Hilfe digitaler, vernetzter und fernsteuerbarer Geräte und Installationen, aber auch durch automatisierte Abläufe und bauwerksintegrierte Komponenten. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Projekts »ArKol« wurde von der Fraunhofer Bauforschung beispielsweise eine solarthermische Jalousie für transparente Flächen entwickelt. Diese nutzt die hohen Temperaturen, die zwischen Glasscheiben entstehen, indem sie die Wärme über in den Lamellen verbaute Heat-Pipes dem Warmwasserspeicher des Gebäudes zuführt. Das reduziert sowohl die Temperatur der raumseitigen Oberfläche als auch den Kühlbedarf des Gebäudes. Damit sorgt die solarthermische Jalousie nicht nur für einen guten Blendschutz und ein angenehmes Raumklima, sondern verringert gleichzeitig den Energiebedarf des Gebäudes.
Gleichfalls solarthermisch funktioniert der »STARK-Luftkollektor«, der zur Klimatisierung von Räumlichkeiten eingesetzt werden soll. Angestrebt wird dabei eine Energieeinsparung von Strom von ca. 50 Prozent gegenüber den Voraussetzungen für die Energieeffizienzklasse A.
Vernetzte Stadt und resiliente Quartiere
Schon heute leben die Hälfte aller Menschen in Städten und 2050, so prognostizieren es die Vereinten Nationen, werden fast 70 Prozent der Weltbevölkerung im urbanisierten Lebensraum angesiedelt sein. Um der steigenden Bewohnerdichte und den daraus resultierenden Problemen ebenso begegnen zu können wie der zunehmenden Bedrohung durch Extremwetterereignisse und Klimakatastrophen, müssen die Quartiere entsprechend gerüstet und geschützt werden. Sogenannte »resiliente Quartiere« haben die Fähigkeit die Folgen von Bedrohungen zu kompensieren. Dabei spielt die Gestaltung der urbanen Oberflächen eine maßgebliche Rolle. Sie beeinflussen zum Beispiel, ob Strahlung reflektiert oder absorbiert wird und sich so eine kühlende oder aufheizende Situation in der Stadt entwickelt. Im Verbund mit Forschungsinstituten und Unternehmen, mit Kommunen und Behörden erforschen die Wissenschaftler die »Bauphysik urbaner Oberflächen«. Dazu werden die Aspekte und Akteure zusammengeführt, aktuelle und fachübergreifende Informationen bereitgestellt sowie Erkenntnisse und neue Technologien entwickelt. Sie umfassen urbane Materialen, Oberflächen und integrale Stadtbauteile, Planungswerkzeuge und Bewertungsmethoden sowie den Tauglichkeitsnachweis und die Demonstration innovativer Lösungen.
Aber auch Extremeinwirkungen und Gebäudereaktionen, beispielsweise bei Explosionen oder Erdbeben werden innerhalb der Fraunhofer-Allianz untersucht. Auf der Sonderschau wird es dazu unter anderem ein Stadtmodell geben, an dem Extremeinwirkungen simuliert werden. Damit verbunden ist ein speziell entwickeltes Engineering Tool zur Risikoerkennung und Optimierung des Schutzpotenzials.
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